Bist du beim Essen mit den Gedanken auch überall, nur nicht bei der Mahlzeit direkt vor dir? Entdecke, wie achtsames Essen dir helfen kann, im Moment zu leben und die Freude an deinen Mahlzeiten zurückzugewinnen. Lass dich inspirieren, eine neue Art des Essens zu erfahren und in der Fülle des Augenblicks anzukommen.
Achtsamkeit ist aktuell in aller Munde (Vorsicht Wortwitz). Was Achtsamkeit genau ist, habe ich in diesem Artikel schon ausführlich festgehalten. Um es aber hier kurz auf den Punkt zu bringen, bedeutet Achtsamkeit, wahrzunehmen was geschieht, noch während es geschieht; den gegenwärtigen Moment wertfrei und vorurteilslos zu erfahren, ihn zu beobachten und neugierig zu erforschen, ohne zu analysieren, etwas verändern zu wollen oder an etwas festzuhalten. Eben bewusst im Hier + Jetzt zu sein.
Achtsamkeit ist eine innere Haltung, die wir nicht nur praktizieren, wenn wir meditieren, sondern die in unseren alltäglichen Handlungen lebendig ist. Um achtsam zu sein, brauchst du also nicht unbedingt auf deinem Meditationskissen zu sitzen. Du kannst dich achtsam anziehen, dir achtsam die Zähne putzen, achtsam ein Ticket für den Bus lösen - oder achtsam essen.
Lass uns einen Blick darauf werfen, was achtsames Essen ist, wozu es nützt und wie du es mühelos in deinen Alltag integrierst. Ich hab dir das in kleine Häppchen aufbereitet - guten Appetit!
Unser modernes Essverhalten: Schnell und nebenbei
In der heutigen Zeit ist es keine Seltenheit, dass wir unsere Mahlzeiten nebenbei und ohne viel Aufmerksamkeit zu uns nehmen. Wir greifen gern zu Fast Food oder schnellen Snacks, die wir im Gehen oder während anderer Tätigkeiten verzehren. Sei es das Frühstück im Auto, das Mittagessen vor dem Computer oder das Abendessen vor dem Fernseher – unser Essverhalten hat sich unserem hektischen Alltag angepasst. Der Fokus liegt nicht mehr auf dem bewussten Genuss der Nahrung, sondern darauf, was wir währenddessen erledigen.
Dieses Verhalten hat nicht nur Auswirkungen auf unsere physische Gesundheit, sondern beeinflusst auch unser geistiges Wohlbefinden. Wenn wir essen, während unser Kopf ganz woanders ist, verpassen wir die Gelegenheit, wirklich im Moment zu sein. Oftmals befassen wir uns mit dem, was in der Vergangenheit passiert ist oder lassen unseren Geist permanent vorauseilen und sind damit nie, wo sich unser Leben wirklich abspielt. Jetzt. Hier.
Abgesehen davon, dass uns dadurch unheimlich viel entgeht, kann es außerdem dazu führen, dass wir schneller essen, größere Mengen zu uns nehmen als wir benötigen und unser Sättigungsgefühl nicht bemerken. Zudem verlieren wir die Verbindung zu unserem Essen – woher es kommt, wie es schmeckt und wie es uns nährt.
Achtsamkeit bietet dir einen Ausweg aus diesem Kreislauf. Indem du dir die Zeit nimmst, deine Mahlzeiten bewusst zu erleben, kehrst du zu einer ursprünglicheren, gesünderen Art des Essens zurück. Statt dem Essen nur als Treibstoff zu begegnen, wird es für dich wieder zu einer sinnlichen und erfüllenden Erfahrung.
Achtsamkeit am Esstisch - deine neue Art des Essens
Im Zusammenhang mit achtsamen Essen taucht immer wieder auf, dass es sich um eine Art Diät handelt; eine hervorragende Methode, um Gewicht zu verlieren. Mir verstrubbeln sich dabei jedes Mal die Nackenhaare, denn darum geht es nicht. Absolut nicht.
Sollte dir durch achtsames Essen bewusst werden, dass du Essgewohnheiten entwickelt hast, die für deine Gesundheit nicht förderlich sind und daraus der Wunsch entstehen, etwas verändern zu wollen, dann ist das ein schöner Nebeneffekt, aber es ist nicht das Ziel. In unseren inneren Haltungen der Achtsamkeit sind wir absichtslos, verurteilen nicht, streben nirgendwohin oder halten krampfhaft an etwas fest. Beispielsweise an einer Vorstellung, wie wir vermeintlich auszusehen haben. Gerade Gewichtsveränderungen, egal in welche Richtung, gehen sooft mit einer gehörigen Portion Druck einher und Druck und Achtsamkeit gehen einfach nicht miteinander einher.
Stattdessen steht schlicht und ergreifend das Essen im Vordergrund - sowohl die Mahlzeit selbst als auch der Vorgang als solches. Es geht darum, die Verbindung zum Essen herzustellen oder zu vertiefen, sinnliche Details wie Geschmack und Textur bewusst wahrzunehmen, Dankbarkeit für den Prozess der Lebensmittelherstellung empfinden zu können und sich dadurch mit der Umwelt verbunden zu fühlen. Dabei ist es gut möglich, dass sich alte Verhaltens- und Denkmuster lösen und du zu einer neuen Art des Essens findest. Wie genau, dazu kommen wir jetzt.
"Setze dich hin und iss in Stille. Lass jede Gabel ein Moment der Meditation sein."
Jack Kornfield
Mit allen Sinnen achtsam essen
Die Beobachtungen, die du beim achtsamen Essen anstellen kannst, sind schier grenzenlos.
Und auch wenn es in unserer Natur liegt, Dinge blitzschnell zu kategorisieren und zu bewerten, möchte ich dich einladen, möglichst wertfrei zu betrachten. Folgenden Fragen könntest du dich bei deiner Mahlzeit widmen:
Wie fühlt sich das Besteck in deinen Händen an?
Wie ist der Teller angerichtet?
Welche Farben haben die verschiedenen Komponenten?
Wie sehen die Lebensmittel aus? Erinnern sie dich an etwas?
Welcher Geruch steigt dir in die Nase? Verbindest du etwas damit?
Welchen Geschmack kannst du wahrnehmen? Süß, salzig, bitter, sauer, umami?
Verändert sich der Geschmack, je länger du kaust?
Wie ist die Konsistenz? Knusprig, weich, fest, flüssig oder etwas ganz anderes?
Ist sie gleichbleibend oder verändert sie sich?
Was für Geräusche hörst du?
Welche Temperatur hat das Essen?
Läuft dir das Wasser im Mund zusammen?
Wie fühlt sich die Bewegung im Kiefer an, das Mahlen der Zähne?
Kannst du den Schluckimpuls wahrnehmen?
Was macht deine Zunge die ganze Zeit?
Du musst diese Liste übrigens nicht abklappern. Widme einfach deinem Essen deine ungeteilte Aufmerksamkeit und beobachte, was dir währenddessen auffällt.
Dankbarkeit für dein Essen
Neben den Wahrnehmungen, die du über deine Sinne beobachten kannst, ist ein elementarer Bestandteil die Wertschätzung und Dankbarkeit dem Essen gegenüber, denn ehrlicherweise geht das in unserem Alltag schnell unter.
Was musste alles passieren, damit die Nahrungsmittel vor dir wachsen und gedeihen konnten?
War viel Sonne oder Regen nötig?
Wie viel Zeit musste investiert werden?
Wie viele Hände waren wohl auf dem Weg vom Feld oder Stall über Supermarkt und Küche beteiligt, bis das Essen zu dir gelangt ist?
War es ein weiter Weg oder nur einen Steinwurf entfernt?
Das Bewusstsein über die Herkunft unserer Lebensmittel steigert ganz automatisch Dankbarkeit und Wertschätzung für den Herstellungsprozess und das Produkt, das letztlich bei uns auf dem Teller landet, oder?
„Achtsames Essen bedeutet, sich vollständig mit dem Essen zu verbinden – mit unseren Herzen, unserem Verstand und unserem Körper.“
Jan Chozen Bays
Den Hinweisen des Körpers lauschen
Kennst du auch das Gefühl, satt, aber nicht zufrieden zu sein? Oder den Eindruck zu haben, dass da noch irgendetwas fehlt? Dann haben wir den süßen Pfannkuchen gegessen, obwohl uns eigentlich nach herzhaftem Gemüseeintopf gewesen wäre. Satt sind wir hinterher schon, aber unsere Bedürfnisse sind nicht vollständig befriedigt; ein Jieper ist noch da.
Stell dir vor, du hast dir für die Mittagspause Nudeln mit Tomatensauce mitgebracht, würdest - wenn es soweit ist - allerdings doch lieber die Linsensuppe aus der Kantine essen. Und schon haben wir den Salat. Zugegebenermaßen hast du wahrscheinlich nicht immer die Möglichkeit, dich nach deinen Gelüsten auszurichten. Aber schau gern mal, wo es sich einrichten lässt. Steht dir heute der Sinn nach deftiger Kost oder doch nach knackigem Salat? Soll es süß oder lieber herzhaft sein? Oder vielleicht ein bisschen von beidem? So beginnt achtsames Essen manchmal schon lange, bevor du in die Nähe deiner Mahlzeit gekommen bist.
Beobachtest du deine Körpersignale, wirst du Fragen wie diese beantworten können:
Was braucht mein Körper heute?
Worauf habe ich jetzt Lust?
Wie viel Hunger habe ich in diesem Augenblick?
Warum esse ich? Habe ich Hunger? Lust? Langeweile? Stress? Oder einfach so?
Kann ich Durst vom Hungergefühl unterscheiden?
Wie schnell oder langsam esse ich?
Wie intensiv kaue ich meine Nahrung?
Wann bin ich satt?
Um in Ruhe in dich hineinzuhorchen, kannst du zwischendurch das Besteck beiseite legen und innehalten. Was geht in dir vor?
Gedanken und Gefühle beim Essen beobachten
Neugierig zu beobachten, was in dir vorgeht beschränkt sich nicht nur auf die Körperwahrnehmung, sondern schließt deine Gedanken und Gefühle mit ein. Was bewegt dich, wenn du deine Aufmerksamkeit achtsam auf dein Essen richtest?
Bist du ruhig und entspannt, während du isst oder sind andere Empfindungen in dir lebendig?
Fällt es dir leicht, mit der Aufmerksamkeit beim Essen zu bleiben oder schweifen die Gedanken immer wieder ab?
Kommen innere Bilder oder Erinnerungen hoch?
Bedauerst du, dass der Teller gleich leer sein wird?
Wie fühlst du dich beim Essen?
Welche Geschichte erzählt dir dein Kopf?
Würdest du gerade viel lieber etwas anderes essen?
Würdest du gerade viel lieber etwas anderes tun?
Gedanken zu beobachten, ohne sich von ihnen davon tragen zu lassen, gehört wohl zur Königsdisziplin. Mit zunehmender Übung wird es dir jedoch immer leichter fallen.
Gedanken sind übrigens nur Gedanken. Sie sind Phänomene unseres Geistes, die nicht zwangsläufig wahr sein müssen. Besonders, wenn sie etwas bewerten oder verurteilen. Sollten dir solche Gedanken auffallen, sei liebevoll und mitfühlend mit dir selbst. Lass den Quatsch, den dein Kopf produziert hat, los und wie Wolken am Himmel weiterziehen. Der nächste Gedanke kommt bestimmt.
"Normalerweise denken wir, während wir essen. Doch wir könnten das Essen viel mehr genießen, wenn wir dabei nicht denken, sondern uns einfach nur der Nahrung bewusst sind. Um wirklich ganz da zu sein, müssen wir unser unaufhörliches Denken anhalten.
Das ist das Geheimnis des Erfolgs."
Thích Nhất Hạnh
Umsetzung im Alltag
Wie all unsere Fertigkeiten will auch achtsames Essen geübt werden. So kann es besonders zu Beginn leicht passieren, dass du dir bei der Zubereitung deiner Mahlzeit noch fest vornimmst, gleich achtsam zu essen. Und das wird dir erst dann wieder bewusst, wenn du den letzten Bissen gerade runtergeschluckt hast. Sich an das Üben zu erinnern ist Teil des Übens.
Es muss auch nicht immer die gesamte Mahlzeit sein. Vielleicht möchtest du den ersten Bissen, den zweiten oder den letzten achtsam wahrnehmen. Genauso gut ist es möglich, dass du dich ganz bewusst dazu entscheidest, dein Lieblingsessen zusammen mit deiner Lieblingsserie zu genießen und dir eine Auszeit auf dem Sofa zu gönnen. Die Betonung liegt auf dem Zauberwort bewusst; läuft der Fernseher schon, bevor du überhaupt merkst, dass du die Fernbedienung in der Hand hast, hat dein Autopilot das Sagen und nicht du.
Taste dich ans achtsame Essen heran und halte es einfach: Wenn du isst, iss einfach nur. Es geht nicht darum, ein weiteres Feld der Selbstoptimierung aufzumachen und das nächste to do auf deiner Liste zu haben, um dass du dich jetzt also auch noch kümmern musst.
Achtsam essen mit anderen
Achtsam zu essen bedeutet nicht, dass wir es nur in Stille und alleine praktizieren können, wobei du genau wie ich vielleicht schnell großen Gefallen daran findest. Im Gegenteil, auch in Gesellschaft – sei es bei der Mittagspause im Büro, dem großen Weihnachtsessen mit der Familie oder in trauter Zweisamkeit mit deiner besten Freundin – können wir achtsam sein. Es geht darum, das Essen bewusst wahrzunehmen, auch wenn wir uns im Austausch mit anderen befinden.
Am Anfang mag es hilfreich für dich sein, das achtsame Essen alleine zu üben, um die Aufmerksamkeit ganz auf das Essen zu lenken. Mit der Zeit wird es dir gelingen, die Achtsamkeit und die Verbindung zu jeder Mahlzeit aufrechtzuerhalten, während du gleichzeitig Gesprächen folgst und dich aktiv einbringst.
Ob du nun zum romantischen Dinner am Tisch sitzt oder mit der Nachbarschaft beim entspannten Grillfest – du kannst die Achtsamkeit in jeden Moment integrieren. Es bedeutet, zwischendurch innezuhalten, um den Geschmack, die Texturen und die Vielfalt des Essens bewusst zu erleben, während du dich den Gesprächen öffnest und dich mit den Menschen um dich herum verbindest. So wird jede Mahlzeit zu einer doppelten Quelle der Freude: im bewussten Genuss des Essens und im Austausch mit deinen Mitmenschen.
Achtsamkeit im Alltag durch achtsames Essen vertiefen
Achtsames Essen ist mehr als nur eine Methode, um bewusster zu essen – es ist eine Einladung, die Präsenz und Achtsamkeit in unseren Alltag zu bringen. Indem du die Mahlzeiten mit allen Sinnen wahrnimmst, Dankbarkeit für dein Essen empfindest, auf die Signale deines Körpers hörst und deine Gedanken und Gefühle beim Essen beobachtest, kannst du tiefer in den Moment eintauchen und die Verbindung zu dir selbst und deiner Umwelt stärken.
Lass dich bitte nicht stressen: Es gibt kein perfektes „achtsames Essen“. Es geht nicht darum, bei jeder Mahlzeit alles richtig zu machen, sondern dich immer wieder neu daran zu erinnern, achtsam zu sein. Gerade am Anfang kann es hilfreich sein, mit kleinen Schritten zu beginnen – vielleicht nur den ersten Bissen bewusst wahrzunehmen oder das Besteck zwischendurch zur Seite zu legen, um innezuhalten.
Erlaube dir, mit Leichtigkeit und Geduld zu üben. Achtsamkeit ist keine Aufgabe, die du abhaken musst, sondern ein Geschenk, das du dir selbst machst, indem du bewusst im Moment verweilst. Jeder Bissen ist eine neue Gelegenheit, präsent zu sein und in der Fülle des Augenblicks anzukommen.
Wie sieht achtsames Essen für dich aus? Ist die Achtsamkeit schon bei dir am Tisch zu Gast? Was sind deine liebsten Mahlzeiten, bei denen du alle Sinne einsetzt? Schreib's gern in die Kommentare!
Achtsames Essen ist fester Bestandteil in der Achtsamkeitspraxis. In meinem Einstiegskurs Komm und sieh selbst lernst du diese und viele weitere Achtsamkeitsübungen kennen und in deinen Alltag zu integrieren. Schau doch mal rein und melde dich gerne bei mir.
Hi, ich bin Nadine!
Wenn du Lust hast, begleite ich dich auf deinem Weg in die wundervolle Welt der Achtsamkeit, zu mehr Wohlbefinden und weniger Stress.
Liebe Nadine,
danke für diesen wunderschön geschriebenen Artikel. Ich werde definitiv ein paar Deiner Fragestellungen ausprobieren.
Herzliche Grüße
Sylvia